Hygieneinstitut wertet 1 Mio. Proben aus: 16,5% der Gebäude von Legionellen betroffen, 0,3% der Proben sehr hoch kontaminiert

Im Rahmen der diesjährigen wasserfachlichen Aussprachetagung des DVGW (wat) in Essen stellte Prof. Dr. Thomas Kistemann vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn (ihph) die Ergebnisse einer bundesweiten Statusanalyse zum Legionellenvorkommen in Trinkwasserinstallationen erstmalig der Öffentlichkeit vor. Mehr als 1. Mio. Trinkwasserdatensätze wurden ausgewertet – mit zum Teil überraschenden Resultaten.

Bereits Ende 2014 hat der figawa-Arbeitskreis „Trinkwasseranalytik“ das ihph beauftragt, einen umfangreichen Trinkwasserdatensatz im Hinblick auf Vorkommen und Verteilung von Legionellen in Trinkwasser-Installationen auszuwerten und hygienisch-mikrobiologisch zu interpretieren.

Die Ergebnisse, die bereits seit Mai 2015 vorliegen, wurden nun auf der wat im Oktober 2015 dem Fachpublikum präsentiert. Das ihph ging im Wesentlichen zwei Fragen nach:

  • Treten in (gewerblich genutzten) Trinkwasser-Installationen in Deutschland unter realen Bedingungen hygienisch-medizinisch relevante Legionellen-Kontaminationen auf?
  • Welche Risikofaktoren stehen in (statistischem) Zusammenhang mit einer Legionellen-Kontamination?

Die von fünf Trinkwasser-Kontrolldienstleistern aus der Mitte des Arbeitskreises zur Verfügung gestellten Daten stammten zum weit überwiegenden Teil aus routinemäßigen Beprobungen des gewerblich genutzten Gebäudebestandes auf Legionellen und bestätigen prinzipiell die bisherigen Veröffentlichungen zu ähnlichen Datenerhebungen. Von rund 1.020.000 Trinkwasserproben überschritten 5,6% den so genannten technischen Maßnahmenwert für Legionellen von 100 KbE je 100 ml. Bei den Proben, die wissenschaftlich eindeutig Warmwasser zuzuordnen waren (t > 25 ° C), liegt die Kontaminationsquote mit 6,5% etwas höher. Interessant ist die Statistik zu den betroffenen Liegenschaften: So waren 16,5% der Gebäude insofern von Legionellen betroffen, als mindestens eine Probe über dem technischen Maßnahmewert von 100 KbE lag. 6,1% der Häuser zeigten Werte von 100 bis 1000 KbE, 1,5% waren hoch (1001 – 10.000 KbE), 0,3% sogar sehr hoch kontaminiert (> 10.000 KbE). Dies entsprach in etwa den Erwartungen des Arbeitskreises, dessen Mitglieder aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen von einem Zielkorridor von 12% bis 18% befallener Immobilien ausgegangen waren.

Der Einfluss der Temperatur bei Entnahme und der maximal gemessenen Temperatur bei Konstanz (Temperaturkonstanz) konnte bestätigt werden. Die Studie spricht in diesem Zusammenhang von einer hoch signifikanten Korrelation dieser Faktoren zur Legionellen-Konzentration. Ein interessantes Teilergebnis war zudem, dass das Risiko einer Legionellenvermehrung im Temperaturbereich von unter 55 ° C dreimal höher ist als im Temperaturbereich über 55 °C. Damit wurde die Vorgabe des DVGW-Arbeitsblattes bestätigt, dass bei zirkulierenden Warmwassersystemen Wärmeverluste von mehr als 5 K gegenüber der Speicheraustrittstemperatur von >=60 °C zur Sicherstellung des hygienisch einwandfreien Betriebes der Anlage zu vermeiden sind.

Die Studie war naturgemäß gewissen Limitationen unterworfen: Anzahl und Quote kontaminierter Großanlagen zur Trinkwassererwärmung konnten anhand der Informationen zu Probenahme und Analyse nicht ermittelt werden, da ein entsprechender automatisierter Datenexport aus den IT-Systemen der Datenlieferanten nicht möglich war. Von der manuellen Selektion und „anlagenscharfen“ Zuordnung der Proben wurde in Anbetracht des für die Studie zur Verfügung stehenden knappen Budgets abgesehen. Dies soll Gegenstand eines weiteren Monitoring-Projektes sein. Auch waren mit wissenschaftlicher Sicherheit nur ca. 500.000 Wasserproben eindeutig Warmwasser – in Abgrenzung zu Kalt- und Mischwasser – zuordnen.

Trotz dieser Einschränkungen bietet die Statusanalyse wertvolle Anhaltspunkte zu den Einflussfaktoren für Legionellen-Konzentrationen in Trinkwassersystemen. Ein Erkenntnisgewinn ist sicherlich: Wer sich an das DVGW Arbeitsblatt W 551 hält, hat deutlich weniger Probleme mit Legionellen in seinen Trinkwasseranlagen. Eine ausführliche Erläuterung der Studienergebnisse ist in einem Fachbeitrag von Prof. Dr. Kistemann und Dr. Sebastian Völker, erschienen im IKZ-Fachplaner in der Oktober-Ausgabe 2015, nachzulesen und steht hier als PDF-Download zur Verfügung.

IKZ-Fachartikel von Kistemann / Völker „Legionellenvorkommen in Trinkwasseranlagen“