Im Zuge der uns seit Februar 2020 beherrschenden Covid 19-Pandemie kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Betriebsschließungen und Zugangsbeschränkungen in öffentlich und gewerblich genutzten Immobilien. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat in diesem Zusammenhang bereits Anfang Juni davor gewarnt, nicht betriebene Trinkwasser-Installationen nicht zu vernachlässigen, also insbesondere regelmäßig zu spülen und zu warten, sollte der reguläre Betrieb für längere Zeit unterbrochen werden. Wir haben uns nun unsere eigenen Daten im Corona-Zeitraum von Mai bis Oktober 2020 angeschaut – mit einigen interessanten Erkenntnisgewinnen.

Das RKI hat in seinem epidemiologischen Bulletin vom 29. Oktober 2020 die Entwicklung der Fallzahlen der Legionärskrankheit seit Beginn der Pandemie bis Ende Juli 2020 in Deutschland veröffentlicht (Brodhun/Buchholz, epidemiologisches Bulletin des RKI Nr. 44/2020, Entwicklung der Fallzahlen von Legionärskrankheit vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, Januar bis Juli 2020, https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/7025/EB-44-Legion%C3%A4rskrankheit.pdf?sequence=1&isAllowed=y).

Die Forscher haben sich die Frage gestellt, ob sich die Lockdown-bedingten Einschränkungen auf die Entwicklung der Fallzahlen bei der Legionärskrankheit ausge­wirkt haben, denn mit den angeordneten Beschränkungen seien relevante Expositionen weggefallen, die oftmals im Zusammenhang mit der Legionärskrankheit stünden. Umgekehrt könnten nach der Lockerung aber auch wieder Expositionsquellen, d.h. Wasserquellen mit einer infolge der geänderten Nutzungsbedingungen relevanten Legionellenkontamination, hinzugekommen sein.

Die Pandemie-bedingten Maßnahmen und Verhaltensänderungen könnten sich sowohl auf die Häufigkeit der Legionärskrankheit im privaten/beruflichen Umfeld als auch auf die reiseassoziierten Fälle ausgewirkt haben. Zum Beispiel könne es durch die mehrwöchige Nicht-Benutzung von Schwimmbädern in dieser Zeit zu einem erhöhten Legionellenwachstum in den betreffenden Trink-wasseranlagen gekommen sein, wenn diese nicht adäquat gewartet wurden. Bei der Wiederinbetriebnahme könnte dies dann wiederum ein vermehrtes Auftreten der Legionärskrankheit im privaten Umfeld zur Folge haben.

Die Zeitreihe der Fälle von Legionärskrankheit im privaten/beruflichen Umfeld verdeutlicht, dass die Fallzahl nicht nur von Januar bis März, sondern auch von Mai bis Juli im Vergleich zu den entsprechenden Monaten im Vorjahr leicht höher war. Zwar könnte die leicht höhere Fallzahl ab Mai möglicherweise mit der Wiederbenutzung von Trinkwasserinstallationen z. B. in Schwimmbädern oder anderen Freizeiteinrichtungen zu tun haben, es ist aber auch möglich, dass durch die verminderte Reisetätigkeit die Zahl der exponierten Personen im privaten und beruflichen Umfeld höher als gewöhnlich ist und sich daher auch mehr Fälle im privaten/beruflichen Umfeld infizierten. Alles in allem entspricht der Anstieg jedoch in etwa demjenigen, der im Trend der vergangenen Jahre zu erwarten wäre.

Wir haben diese wissenschaftlichen Aussagen zum Anlass genommen, einen Blick in unsere eigenen Daten zu werfen mit der Fragestellung, ob es in der Corona-Zeit und dem damit verbundenen temporären Lockdown zu erhöhtem Legionellen-Aufkommen in gewerblich genutzten Immobilien gekommen ist, die wir beprobt haben.

Zurückgreifen konnten wir dabei auf zwei Trinkwasserdatensätze, die nach unserer Auffassung zumindest erste Indizien erkennen lassen, ob es Auffälligkeiten oder sogar einen Trend gibt.

Der erste Datensatz besteht aus allen Warmwasser-Legionellenproben, die wir seit unserem eigenen Lockdown von Juni bis Oktober 2020 organisiert, vermittelt oder selbst genommen und ausgewertet haben. In dieser Zeit wurden 13.410 Probenahmen organisiert, davon 8.492 orientierende Untersuchungen (63,33%) und 4.882 Nachuntersuchungen (36,41%). Eine Sonderbeprobung mit 36 Proben ist mit 0,27% des Gesamtvolumens statistisch zu vernachlässigen.

Von den 13.410 nominell zu erledigenden Beprobungen konnten tatsächlich 12.101 Proben erfolgreich entnommen und auf Legionellen untersucht werden. Dies entspricht einer Quote von 90,24% und bewegt sich damit im etwa auf dem Niveau der Vor-Coronazeit.

Von den 9,76% nicht genommener Proben sind 460 auf technische Defekte, kurzfristige Umbaumaßnahmen oder kundenseitige „Abkündigungen“ zurückzuführen. 505 Mal wurde der Zutritt durch den Mieter, Wohnungseigentümer oder berechtigten Nutzer verweigert. Zur Erinnerung: Kurz vor unserer eigenen Betriebsschließung Ende März hatten wir je Kalenderwoche ca. 125 Zutrittsverweigerung, da die Verunsicherung in der Bevölkerung offenbar zu jenem Zeitpunkt noch sehr groß war. Verteilt auf 20 Kalenderwochen haben wir jetzt folglich mit ca. 25 Zutrittsverweigerungen zu tun. Dies geht über die übliche Quote nur geringfügig hinaus: 505 entsprechenden 3,77% aller beauftragten Proben und geht damit um 0,98% über die Quote für das gesamte Jahr 2019 mit 2,79% hinaus. Ein voller Prozentpunkt ist für uns leicht zu verschmerzen und ist sicherlich der insgesamt (noch) angespannten Covid 19-Situation geschuldet.

Im Betrachtungszeitraum überschritten 881 Proben den in der Trinkwasserverordnung vorgeschriebenen technischen Maßnahmenwert (TMW) für Legionellen von 100 Kolonie bildenden Einheiten (KbE) je 100 ml Trinkwasser. Dies entspricht einer Quote von 7,28% und ist damit um 1,35% leicht erhöht (2019: 5,93%). 601 Proben lagen im Bereich der mittleren Kontamination von 101-999 KbE (5,16%), 249 Proben wiesen eine hohe (1.000- 9.999 KbE, 2,14%) und lediglich 31 Proben eine extrem hohe Legionellenkontamination von mehr als 10.00 KbE auf (0,27%).

Trends oder sogar corona-bedingte Kausalzusammenhänge können wir dem ausgewerteten ersten Trinkwasserdatensatz so ohne weiteres nicht entnehmen.

Interessant ist jedoch der zweite Trinkwasserdatensatz, den wir uns ebenfalls angeschaut und ausgewertet haben. Nach unserem Lockdown erhielten seit Anfang Juni zahlreiche Aufträge zu sog. Restart-Beprobungen. Restart bedeutet, dass gewerbliche Anlagenbetreiber kurz vor Wiederinbetriebnahme des Gebäudes (Wiedereröffnung des Betriebes, Aufhebung von Nutzungs- und Zugangsbeschränkungen, etc.) das Trinkwasser in den zeitweilig nicht genutzten oder sogar stillgelegten Trinkwasser-Installationen haben von uns beproben lassen.

So entstand bis zum 29. Oktober 2020 ein Datensatz von 931 Restart-Beprobungen, mit folgendem Legionellen-Aufkommen und -verteilung: 136 Proben überschritten den TMW. Dies entspricht einer Quote von 14,61% und ist damit als signifikant erhöht zu bewerten. 91 Proben lagen im Bereich der mittleren Kontamination (9,77%), 38 Proben zeigten eine hohe Kontamination. Dies entsprich einem Anteil von 4,08% aller Proben. Die hohen Kontaminationen liegen damit doppelt so hoch wie üblich (1,25-2%) in den von uns seit 2011 untersuchten Installationen, während 9 Proben mit extrem hoher Kontamination im Verhältnis dazu nicht so sehr überraschen (0,97%).

Uns ist bewusst, dass die Datenbasis mit weniger als 1.000 Trinkwasserdaten derzeit noch nicht wirklich statistisch belastbar ist. Die Aussagekraft ist schwach. Wir haben diese ersten Ergebnisse zum Anlass genommen, die Problematik des Legionellenwachstums im Schatten von Corona im Arbeitskreis Wasseranalytik der Firmen im Gas- und Wasserfach e. V. (figawa) jüngst in unserer Sitzung am 4. November 2020 zu diskutieren. Geplant ist anonymisierte Daten im Szenario Lockdown zu aggregieren und bei Erreichen einer „Mindestmenge“ von einem anerkannten Forschungsinstitut auswerten zu lassen. Die konkrete Ausgestaltung des Projektes soll in der nächsten planmäßigen Sitzung des Arbeitskreises am 23. März festgelegt werden.

Zum Abschluss noch eine interessante Information zum möglichen Einfluss des Temperaturregimes auf die Überschreitung des TMW: Bei den 881 Proben mit TMW>100 KbE lag die Entnahme-Temperatur in 315 Fällen (35,75%) unter 45°C. Die gemessene maximal Temperatur (tmax) lag in 462 Fällen unter 55°C (52,44%) und damit unter der vom DVGW im Arbeitsblatt W 551 empfohlenen Temperaturgrenze. Die Temperatur konnte also (erneut) zweifelsfrei als signifikanter Einflussfaktor auf die Legionellen-Konzentration bestätigt werden – wie bereits die Studie zum Legionellen-Vorkommen in Trinkwasser-Installation des Hygieneinstituts der Universitätsklinik mit wissenschaftlich Methoden bestätigt hat (vgl. Beitrag über bundesweite ihph-Statusanalyse zu Legionellen im Trinkwasser).

Es wird aber zugleich deutlich, dass die Temperatur nicht allein die Variation des Vorkommens von Legionellen in Trinkwarmwasser-Installationen erklären kann.

Bei Interesse erteilt Ihnen unser Vorstand Marcus Pikarek gern nähere Auskünfte zu den ausgewerteten Trinkwasserdatensätzen. Anfragen richten Sie bitte per E-Mail an ihn: m.pikarek@water-control.de